Im Jahr 1841 wurde in Jerusalem ein englisch-preußisches Bistum gegründet. Dieses Bündnis bildete die Grundlage dafür, dass sich Protestanten in Jerusalem niederlassen konnten. Samuel Gobat, der zweite protestantische Bischof, erwarb 1848 ein Gelände am Zionsberg für die Bestattung von Angehörigen beider im Bistum verbundenen Kirchen. Als im Jahre 1886 der Bistumsvertrag aufgrund der politischen Rahmenbedingungen gekündigt wurde, beschloss man, den Friedhof weiterhin gemeinsam fortzuführen. Zu diesem Zweck wurde 1906 ein Friedhofskomitee gegründet, das mit Engländern und Deutschen paritätisch besetzt war, und das bis heute die gemeinsame Friedhofsverwaltung innehat. 1917 wurde ein Kriegsgräberfeld für die seit 1916 in der Gegend um Jerusalem gefallenen deutschen und österreichischen Soldaten errichtet. Es wurde als „nicht-konfessionelle Insel auf dem Protestantenfriedhof“ bezeich-net. Nach dem israelischen Unabhängigkeits-krieg und der Staatsgründung (1948-1967) war der Friedhof für die im Ostteil Jerusalems gelegenen Kirchen nicht nutzbar, da er sich unmittelbar westlich der Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Jordanien befand.
Der Zionsfriedhof ist bis heute die einzige Begräbnisstätte der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde zu Jerusalem. Aufgrund des ewigen Ruherechts im Nahen Osten verfügt der Friedhof nur noch über wenige freie Grabstellen, die den ansässigen Protestanten vorbehalten bleiben.
Mehr Bilder des Friedhofs finden Sie unter biliongraves , wo die Bilder der Gräber mit ihrem jeweiligen Standort abrufbar sind.
Gräber interessanter Persönlichkeiten
Henri und Caroline Baldensperger
Die Wurzeln der Familie Baldensperger liegen in der Schweiz, wenige Kilometer nördlich von Zürich. Seine Heimat Brütten musste der Vorfahre Felix Baldensperger im 17. Jahrhundert mit seiner Familie verlassen. Er gehörte den Wiedertäufern an, die ihre Ursprünge in der Reformationszeit hatten und wie andernorts der Verfolgung ausgesetzt waren und so zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen waren. Ein Teil der Familie ließ sich dabei im elsässischen Baldenheim nieder, wo Henri Baldensperger 1823 als Sohn des Sattlers Johann Peter Baldensperger und seiner Frau Barbara Gruber geboren ist.
1848 verließ Henri, der von Beruf Dreher war, das bäuerliche Umfeld seiner Familie und ließ sich als damals 25jähriger durch die evangelische Chrischona-Mission bei Basel als Missionar nach Palästina entsenden. Der Pietist Christian Friedrich Spittler hatte das Missionswerk zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegründet. Neben vielen anderen Aktivitäten beabsichtigte er die Etablierung eines „Apostelweges“, der Missionare von Jerusalem nach Äthiopien führen sollte. Als erste Station auf diesem Weg wurde in der Nähe des Jaffatores ein Brüderhaus gegründet, das Henri Baldensperger zusammen mit den drei anderen gemeinsam Entsandten Conrad Schick, Ferdinand Palmer und Samuel Müller bewohnte. Doch schon nach wenigen Monaten ging Henri Baldensperger seiner eigenen Wege. Es entstand mit Spittler in Basel ein Dissens um die Frage des Zölibats, das den Brüdern von der Chrischona-Mission auferlegt war. Henri hatte bereits im Elsass den Wunsch, seine Angebetete, Caroline Marx aus dem elsässischen Niederbrunn, eine Diakonisse im Dienste eines Pfarrers, zu ehelichen. Seinen brieflichen Heiratsantrag aus Jerusalem beschied die Auserkorene positiv und setzte alles daran, so bald als möglich ihrem zukünftigen Ehemann nach Palästina zu folgen. Im Zuge der Loslösung Baldenspergers vom Spittler’schen Brüderhaus spielte das Dörfchen Artas, wenige Kilometer südlich von Bethlehem gelegen, eine wichtige Rolle. Das Quellgebiet mit den Salomo-Pools hatte seit Jahrhunderten Jerusalem mit Wasser versorgt und galt wegen seiner üppigen Vegetation als der biblische Garten aus dem Hohen Lied Salomos im Alten Testament. Hier entstand zu jener Zeit die erste europäisch amerikanische Landwirtschaftskolonie unter dem englischen Millenaristen (Endzeitglaube auf die Johannesoffenbarung gegründet) John Meshullam, der vom Judentum zum ursprünglichen Anglikanismus konvertiert war. Ihm schloss sich Baldensperger im Oktober 1849 für eineinhalb Jahre an. Das einfache naturnahe Leben lag dem aus einer Bauern- und Bienenzüchter-Familie Stammenden so sehr, dass er sich in Artas auch religiös Gott näher fühlte als im Brüderhaus in Jerusalem.
Bald darauf aber änderten sich die Lebensumstände für das junge Paar erneut. Samuel Gobat, zweiter Bischof des Preußisch-Anglikanischen Bistums in Jerusalem (seit 1841) – auch er auf dem Protestantischen Zionsfriedhof beigesetzt – gewann Henri Baldensperger als Verwaltungsleiter für die von ihm gegründete Schule auf dem Zionsberg, ein Gebäude, durch das bis zum heutigen Tag der Zugang zum Zionsfriedhof erfolgt. Doch während der 18 Monate, in denen Henri in Artas lebte, hatte er ein Gefühl für das Dorf entwickelt, das es ihm zur Heimat werden ließ. So verbrachte die Familie Baldensperger von jener Zeit an all ihre Wochenenden und Ferien in Artas, anfangs noch im Haus, das Henri ursprünglich im Tal gebaut hatte, später dann in einem neuen Haus im Zentrum des Dorfes, das bis heute an der Stelle einer alten Kirche aus der Zeit der Kreuzfahrer steht.
Als Henri und Caroline nach 45 Dienstjahren in der Gobat-Schule schließlich in den Ruhestand gingen, ließen sie sich in ihrem Haus in Artas nieder. Doch bereits im Jahr darauf, im Januar 1896, starb Henri Baldensperger im Alter von 73 Jahren. Seine Frau Caroline, die keinen Anspruch auf die Pension ihres Mannes hatte, konnte dank der finanziellen Unterstützung durch ihre Kinder die letzten 10 Jahre bis zu ihrem Tod gesichert und versorgt in Artas verbringen. Die letzte Ruhestätte fand die 83jährige an der Seite ihres Mannes auf dem Zionsfriedhof.
Ebendort befinden sich dort auch die Gräber von Charles Henri Baldensperger, einem ihrer Söhne, 1905 verstorben, sowie das Grab ihrer Schwiegertochter Elisabeth Baldensperger, die im Alter von 55 Jahren verstorben ist. Insgesamt hatten Henri und Caroline acht Kinder. Einer ihrer Söhne starb wenige Monate nach der Geburt. Zwei Söhne starben in Frankreich und einer in Ostafrika, die anderen in Palästina. Nachkommen von Henri Baldensperger leben heute in Frankreich, in Jordanien und Kanada.
Für Philip Baldensperger besiegelte der Tod seines Vaters dessen geistiges Erbe, wie der Auszug aus einem Brief zeigt, den er aus Anlass des Todes schrieb:
„Voller Zuversicht war dein Leben und ich hoffe, dass mit
deinem Körper die Hoffnung nicht gestorben ist, sondern
weiterhin in uns allen lebendig bleibt. Jetzt spüre ich dein
Erbe. Die Hoffnung ist ein fester Stab und die Geduld ein
Kleidungsstück, mit dem man durch den Tod und das Grab
hindurch in die Ewigkeit eingehen kann.“
*Dieser Text gründet auf folgendem Artikel: Falestin Naili, „Henri Baldensperger : un missionnaire alsacien et le « vivre ensemble » en Palestine ottomane“. Article paru dans L’Annuaire de la Société d’Histoire de la Hardt et du Ried, no. 23, octobre 2011 (version d’auteure)
Wörtliche Zitate sind durch Kursivschrift gekennzeichnet.
Nicolai Schmidt
Nicolai Schmidt (II), geboren am 29. September 1839 in Steinbach, Molotschna als Sohn von Nicolai Schmidt (I) und Katharina Matthies; gestorben am 28. Dezember 1876, Vater von Nicolai Schmidt (III), des letzten Tempelvorstehers in Jerusalem. Mit dem Namen Nicolai Schmidt werden in der Bewegung der württembergischen Templer wichtige Persönlichkeiten verbunden. Ein Blick auf die Ursprünge der Familie führt von Jerusalem zurück an den Nordrand des Kaukasusgebirges, dann tausend Kilometer weiter zurück an die Molotschna in der heutigen Ukraine, von da zurück an die Weichsel bei Danzig und schließlich weiter zurück bis in die Pfalz und in die Schweiz. Heinrich Schmidt (I), ein Mennonit, war um 1730 aus dem Kanton Bern ins Elsaß ausgewandert.
Sein Sohn Daniel betrieb mit seiner Familie in der Nähe von Zweibrücken in der Pfalz einen größeren Bauernhof. Dessen Sohn Peter war gerade 20 Jahre alt, als der große Eroberungszug Napoleons begann und alle jungen Bewohner der besetzten Gebiete in sein Heer eingezogen wurden. Als Mennoniten lehnten die Schmidts den Dienst mit der Waffe ab und so blieb ihnen angesichts der Umstände nichts übrig, als vor dem Eroberer zu fliehen. In einer Nacht des Jahres 1809 verließen sie in aller Eile ihren Hof und all ihren Besitz. Zu Fuß schlugen sie sich bis Galizien durch, wo in der Gegend von Lemberg andere Mennoniten wohnten. Im Jahr darauf zogen sie weiter nach Russland, weit in den Süden, bis zum Fluß Molotschna, der bei Melitopol ins Asowsche Meer mündet. Dort hatten Mennoniten schon ein paar Dörfer gegründet. Die russische Zarin Katharina II. hatte nämlich deutsche Siedler eingeladen, zur Erschließung dieses Gebiets beizutragen, und ihnen dafür freie Ausübung der Religion, Erhaltung der Muttersprache, Selbstverwaltung, Steuererleichterung und Befreiung vom Militärdienst versprochen. In der Gnadenfelder Lehranstalt von Peter Schmidts Sohn Nicolai Schmidt (I) fassten erstmals in den deutschen Kolonien in Südrussland die Ideen der württembergischen „Jerusalemsfreunde“ Fuß. Darüber kam es nach etlichen Jahren zwischen den Siedlern zu Zerwürfnissen, so dass die von den Tempelgedanken Erfassten sich genötigt sahen, 1863 in Gnadenfeld zunächst eine eigene Gemeinde zu bilden und später dann (1868) von der Molotschna ganz wegzuziehen und im Kaukasus-Vorland eine eigene Kolonie, „Tempelhof“, zu gründen. Nachdem dann in Palästina die ersten Tempelkolonien entstanden waren, dachte Nicolai Schmidt ebenfalls an eine Übersiedlung dorthin. 1869 besuchte er Palästina und kaufte Land in der Refaimebene, dem heutigen Jerusalemer Stadtteil German Colony, mit dem Ziel sich dort anzusiedeln. Doch auf der Ausreise ist er am 14. September 1874 in Taganrog unerwartet gestorben.
Sein Sohn, Nicolai Schmidt (II) war bereits 1872 von Südrussland nach Jerusalem übergesiedelt und begann mit dem Bau eines Hauses. Mit der Grundsteinlegung 1873 für Wohnhaus und Mühle in der „Emek Refaim“ wurde der Anfang einer neuen Templerkolonie gelegt. Ein Jahr später gebar ihm seine Frau Anne das erste Kind, die Tochter Rephaemie „Repha“ Schmidt (1874). Nicolai versuchte seinen Lebensunterhalt durch das Ölpressen von Leinsaat und Senf zu verdienen. Die arabische Bevölkerung ließ sich dafür aber nicht gewinnen und zog Olivenöl aus den arabischen Ölmühlen vor. Dann hatten erste Anpflanzungen von Weinreben an der Straße nach Bethlehem Erfolg. Weinanbau, Produktion und Vertrieb sollten zum beruflichen Ziel von Nicolai werden. Als Anfang des Jahres 1876 sein Sohn Nicolai Schmidt (III) geboren wurde, gesellte sich das familiäre Glück zu dem beruflichen Erfolg des aufstrebenden Landwirts. Dieses Glück war aber nur von kurzer Dauer, denn Nicolai Schmidt (II) verstarb im Dezember 1876 mit nur 37 Jahren. Er musste seine Frau Anna mit zwei kleinen Kindern zurücklassen. Anna heiratete drei Jahre nach Nicolai Schmidts Tod 1879 einen Templer aus der Nähe von Stuttgart. Gemeinsam führten sie das Weingeschäft von Nicolai Schmidt weiter. Die Jerusalemer Weine sind später auch nach Deutschland ausgeführt und dann besonders in Stuttgart gehandelt worden. Sein Sohn Nicolai Schmidt (III) wird der letzte Tempelvorsteher in Jerusalem sein (1941-1948) und mit ihm wird die Ära der Palästina Gemeinden zu Ende gehen.
Nicolai Schmidt (II) wurde 1876 auf dem evangelischen Zions-Friedhof in Jerusalem bestattet. Es bedurfte eines starken Sendungsbewusstseins, um unter den schweren Lebensbedingungen Jerusalems Ende des 19. Jahrhunderts Fuß zu fassen. Dieses wird uns in seiner Grabstein-Inschrift bezeugt:
„Wir haben ein festes prophetisches Wort,
und ihr tut wohl, daß ihr darauf achtet,
als auf ein Licht,
das da scheinet an einem dunklen Ort.“
2 Petr 1,19.
Die Bestattung der frühesten in der Deutschen Kolonie verstorbenen Siedler erfolgte noch auf dem Zionsfriedhof, da der Friedhof der Templerkolonisten in Emek Refaim erst 1878 angelegt worden ist. Nicolai Schmidt (II) war der letzte seiner Familie, der auf dem preußisch-anglikanischen Zionsfriedhof beerdigt wurde.
Dr. med. Adalbert Einsler
Dr. med. Adalbert Einsler wurde am 24.Mai 1848 in Temesvar, das im ungarischen Teil der kaiserlichen und königlichen Monarchie lag, geboren. Temesvar gehört zum Banat, das wie das angrenzende Siebenbürgen vorwiegend von Deutsch sprechenden Donauschwaben besiedelt war. Heute gehört die Stadt zu Rumänien.
Nach dem Abitur studierte er in Wien Medizin und wurde dort 1872 zum Dr. med. und im gleichen Jahr zum Magister der Geburtshilfe promoviert, 1874 schloss er seine Ausbildung zum Chirurgen ab. Nach Ableistung seines militärärztlichen Wehrdienstes verpflichtete er sich 1875 zu einem zweijährigen Sanitätsdienst bei der osmanischen Armee, wo er primär in Nablus stationiert war. Dazu musste er allerdings die ungarische Staatsangehörigkeit aufgeben.
Nach Beendigung des Militärdienstes war er 2 Jahre im Hospital in Tantur ärztlich tätig.
Am 15. Mai 1879 heiratete er Lydia Schick, die älteste Tochter des württembergischen Baurates Dr. h.c. Conrad Schick in Jerusalem. Zu diesem Zeitpunkt konvertierte er von der katholischen zur evangelischen Religion und nahm die württembergische Staatsangehörigkeit an.
Von 1880 – 84 bekleidete er die Stelle des Stadtarztes in Jerusalem und war 1885 in Gaza tätig, wo er als mikrobiologischer Sachverständiger bei der Bekämpfung bzw. Eindämmung einer Choleraepedemie eingesetzt war. Um diesen Einsatz einzuordnen, muss man sich vergegenwärtigen, dass es damals noch keine gezielte Therapie gegen Cholera gab (Impfung, Antibiotika). Im gleichen Jahr übernahm er die ärztliche Leitung des deutsch-israelischen Biccur Cholim-Krankenhauses und die ärztliche Betreuung des Lepra-Asyls „ Jesu Hilfe“ der Herrnhuter Brüdergemeinde. Die Schwestern, die sich aufopferungsvoll der Betreuung der Kranken widmeten, stammten aus Niesky.
Die Versorgung der Leprakranken (Aussätzigen) war ihm ein besonderes ärztliches und wissenschaftliches Anliegen. So verfasste er ein Monographie „Beobachtungen über den Aussatz im Heiligen Lande“ (erschienen 1898, Verlag der Missionsbuchhandlung Herrnhut). Seinerzeit gab es eine große Kontroverse, ob der Aussatz infektiöser oder erblicher Genese war. Nach Aussagen von Zeitzeugen (Otto Stahl, Pfarrer in Nahost und Schwaben) war er der Ansicht, dass es auf Grund der Datenlage unmöglich sei die Frage zu entscheiden, ob der Aussatz in Palästina erblich oder ansteckend oder beides sei.
Wie vielfach bei heftigen Disputen stellt sich nachher heraus, dass beide Seiten recht haben. Die Lepra wird zweifelsohne durch das Mycobacterium leprae hervorgerufen, allerdings erkranken weniger als 5% der Menschen, die Kontakt mit dem Erreger hatten, auch an Lepra, was vor allem auf hygienische Schutzmaßnahmen, aber auch auf eine genetische Disposition schließen lässt. Übrigens ist keine der Schwestern des Asyls je an Lepra erkrankt.
1899 wurde ihm vom deutschen Kaiser der rote Adlerorden verliehen, im Jahr 1913 wurde er vom württembergischen König mit dem Titel Sanitätsrat ausgezeichnet, zudem wurde er von der holländischen Königin zum holländischen Konsul in Jerusalem ernannt.
Er verstarb 1919 in Jerusalem und wurde auf dem Zionsfriedhof beigesetzt.
Seine bedeutende Stellung in Jerusalemer Gesellschaft und Ärzteschaft wurde von Dr. Norbert Schwake in mehreren Publikationen gewürdigt und herausgestellt.
Die Familie Einsler hatte 8 Kinder, schwere Schicksalsschläge blieben der Familie Einsler nicht erspart. Sein zweitältester Sohn Cony wurde im Alter von 9 Jahren von einem tollwütigen Hund gebissen, und der Vater musste als Mediziner hilflos mit ansehen, wie sein Sohn qualvoll an der Erkrankung verstarb. Heute würde man die Erkrankung mit einer Impfung heilen können, durch mangelnden Zugang zu Therapien sterben aber auch heute noch jährlich mindestens 60.000 Personen in Asien und Afrika an durch Tierbisse übertragene Tollwut. Sein Sohn Friedrich wurde im 1. Weltkrieg als Ltd. d. R. vor Reims schwer verwundet und erlag seinen Verletzungen im Lazarett Rethel. Seiner wird auf einer Gedenktafel auf dem Zionsfriedhof gedacht. Alle anderen Kinder bis auf Walter, der bis zu seinem Tode in Jerusalem verblieb, zog es zurück nach Deutschland, die jüngste Tochter Gertrud heiratete einen amerikanischen Pfarrer (Tatley) und wanderte in die USA aus. Dort verfasste sie mehrere Artikel über das Leben in Jerusalem und die Sitten und Gebräuche der arabischen Bevölkerung.
Man kann sich fragen, warum wir uns heute noch für die Lebensläufe unserer Vorfahren interessieren sollten. Zwar sind die einzelnen Lebensstationen schon interessant genug, besonders faszinieren jedoch die Einstellungen und Charakterzüge, die die Menschen damals geprägt haben. In einer Zeit, in der heute fast alle nach Absicherung und Selbstoptimierung streben, imponieren das Gottvertrauen und die Zuversicht dieser Generation. Bei der Auswanderung bzw. Niederlassung in Jerusalem hatte keiner eine Alterssicherung, Rückfahrkarte oder Garantie für die Karriere, und doch haben Menschen wie Dr. h.c. Conrad Schick, Dr. Adalbert Einsler und seine Frau (um nur einige Beispiele zu nennen) ihre Aufgaben mit großer Zuversicht und Gottvertrauen angenommen. Sie haben auch in schwierigen Situationen an ihre Mission geglaubt und das Beste aus den Gegebenheiten gemacht, aber sie haben auch das Ergebnis vorbehaltlos akzeptiert. Ich denke, wir könnten gerade heute einiges von ihnen lernen.
Ludwig Schoenecke
Ludwig Schoenecke gehört zu den eher unbekannten auf dem Zionsfriedhof begrabenen Menschen. Ludwig Schoenecke wurde am 26. Januar 1847 in Hannover geboren und verstarb am 28. November 1902, also ungefähr ein Jahr nach seinem berühmten Schwiegervater Conrad Schick. Schoenecke kam im Alter von etwa 20 Jahren als Angestellter der Basler Pilgermissionshandlung nach Jerusalem. Christian Friedrich Spittler hatte im Jahre 1840 in Basel die Pilgermission St. Chrischona gegründet. Diese sollte Menschen ausbilden, um in fernen Ländern das Christentum zu verbreiten, und zu helfen, Not und Elend in diesen Ländern zu mindern.
So war Conrad Schick 1846 als Missionar nach Jerusalem gelangt. Die Pilgermissionshandlung, bei der Schoenecke arbeitete, war nach dem Willen Spittlers dazu bestimmt, mit den erhofften Gewinnen die Missionsarbeit finanziell zu unterstützen. Im Zuge der Auflösung der dann nicht dauerhaft gewinnträchtigen Missionshandlung übernahm Johannes Frutiger 1872 deren Banksparte und eröffnete Anfang 1873 das Bankhaus J. Frutiger & Cie in einem dem Lateinischen Patriarchat gehörenden Gebäude beim Jaffator. Diese Vorgänge werden ausführlich geschildert in dem Buch von Hans Hermann Frutiger und Jakob Eisler „Johannes Frutiger – Ein Schweizer Bankier in Jerusalem“. Dort befinden sich weitere Hinweise zum beruflichen Lebensweg Ludwig Schoeneckes: Zwischen 1872 und 1875 arbeitete Schoenecke bei einem früheren Mitarbeiter von Spittlers Handelsgeschäft in Philadelphia. Er kehrte danach an die Frutiger-Bank in Jerusalem zurück, bearbeitete u.a. Schuldnerangelegenheiten und wirkte später als Prokurist an diversen Geschäften der Frutiger-Bank mit. So unterschrieb er 1891 den Kaufvertrag für die jüdische Wohnsiedlung Neve Schalom, wobei der dazu gehörige Lageplan von seinem Schwiegervater Conrad Schick erstellt worden war. Schoenecke war auch verlegerisch tätig. Sein Verlag hat z. B. Schicks Führer durch die Grabeskirche drucken lassen und es gibt Postkarten aus seiner Zeit mit dem Aufdruck „Verlag L. Schoenecke“.
In Jerusalem kam Schoenecke mit der deutschsprachigen Kolonie und deren Mitgliedern in Berührung. Es gab Geselligkeit, Vereinsleben, besonders Gesangsvereine, gemeinsame Ausflüge, Kirchgänge, regelmäßige Vortrags- und musikalische Abende und dabei lernte Schoenecke auch das Ehepaar Schick und seine drei Töchter kennen. Deren mittlere Tochter Frieda, die 13 Jahre jünger war als er, gefiel ihm besonders. Und so kam es, dass er am 14. November 1878 die 18jährige Schick-Tochter Frieda heiratete. Die Trauung wurde vom deutschen Konsul in Jerusalem Baron von Münchhausen beurkundet. Schoenecke wurde in der Schick-Familie herzlich aufgenommen, zu der alsbald auch die Einsler-Familie (die Schick-Tochter Lydia hatte den Arzt Dr. Adalbert Einsler, Leiter des „Aussätzigen-Asyls Jesus Hilfe“ der Brüdergemeine, geheiratet) gehörte. Man traf sich regelmäßig am Sonntagnachmittag im Hause Schick und pflegte ein herzliches Familienleben. Ludwig und Frieda Schoenecke hatten insgesamt sieben Kinder, sechs Töchter und einen Sohn.
Besuche in Deutschland waren selten, aber besonders zu ärztlichen Behandlungen fuhr man in die Heimat. So kamen Schoeneckes mit vier Kindern und einer arabischen Amme im Sommer 1887 nach Deutschland, um Frieda in Berlin ärztlich behandeln zu lassen. Der gemeinsame Sohn Ludwig, geboren 1884, wurde zur Schule nach Höxter geschickt und begann später ein Medizinstudium. Er verstarb im ersten Weltkrieg 1915 an einem Lungendurchschuss im russisch besetzten Polen und wurde dort beigesetzt. Ein Schwager schrieb, dass die trauernde Mutter den Tod ihres Sohnes in frommer Ergebung trug und „dieses Opfer, wenn auch blutenden Herzens, dem Vaterland brachte“. Die Tochter Hilda, geboren 1895, gelangte über Kaiserswerth nach Deutschland, studierte als eine der ersten Frauen Medizin, und zwar in Halle und Hamburg, und kam schließlich 1924 auf die Nordseeinsel Amrum. Hier war sie als Hausärztin tätig und sollte auch klären, ob das ehemalige feudale Hotel und Kurhaus „Zur Satteldüne“ sich als Kindererholungsheim eignete. „Fräulein Doktor“, wie sie allgemein auf der Insel genannt wurde, kam zu einer positiven Beurteilung, organisierte den Aufbau des Kindererholungsheims, wurde und blieb dessen Leiterin, bis sie 1960, geehrt mit dem Bundesverdienstkreuz, in den Ruhestand ging. Ihre Schwester Martha Schoenecke arbeitete in der Röntgenabteilung des Kinderheims. Auch fast alle anderen Schoenecke-Töchter, zumeist unverheiratet, zog es nach Amrum; sie ließen sich im Ort Nebel nieder und sind dort verstorben.
Man fragt sich, wie die in Jerusalem aufgewachsene junge Frau Hilda Schoenecke sich auf einer rauen Nordseeinsel wohlfühlen konnte. Aber Jerusalem und Amrum haben trotz aller klimatischen, politischen und sonstigen Kontraste einiges gemeinsam: Eine herbe Landschaft, eine karge Flora und viel Sand. Und: Amrum hat bisweilen schöne Sommer „mit einer Lichtfülle über Dünen und Kniepsand wie ich es nur zu Hause in Jerusalem gekannt habe“. So schrieb Hilda Schoenecke in ihrer Begutachtung zur Eignung des Hotels als Kindererholungsheim.
Alle Schoeneckes waren sehr gläubig und fühlten sich Jerusalem lebenslang verbunden. Zur Taufe einer Nichte schickte Ludwig Schoenecke 1885 Jordanwasser von Jerusalem nach Altdöbern in der Niederlausitz. Die Flasche kam heil an. Ludwig Schoenecke verstarb nach kurzer Krankheit früh im Alter von 55 Jahren. Die Inschrift auf seinem Grabstein lautet: „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn (Phil 1,21).“
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