Friedhöfe – Brücken zwischen Leben und Tod
von Orit Ramon
Friedhöfe sind die Orte, an denen Menschen in aller Welt ihre verstorbenen Verwandten und Geliebten zu ihrer letzten Ruhe geleiten. Daher sind sie die Plätze, an denen die Lebenden und die Toten sich treffen und Orte an denen spirituelle, ästhetische und soziale Vorstellungen sichtbar werden. Dieses Zusammenspiel vielfältiger Dimensionen wird nicht nur durch die lebenden Besucher beeinflusst, sondern beeinflusst und gestaltet auch selbst die Welt der Besucher.
In seinem Artikel über jüdische Friedhöfe schlägt Avriel Bar Levav eine Typologie aus acht verschiedenen Modellen vor, welche die Bedeutungen von Friedhöfen besser erklären können. Diese Typologie kann auf jeden Friedhof angewendet werden:
- Der Friedhof als Nachbarschaft. Er ist eine Ruhestätte für Menschen, die in den Verflechtungen der Gesellschaft gelebt haben und ist somit auch ein Ort der Reflexion ihres sozialen Standpunktes zu ihren Lebzeiten. Auch in der Nachbarschaft der Gestorbenen spielen die sozialen Beziehungen der lebenden Gesellschaft noch eine Rolle und werden dort reflektiert. Somit hat der Friedhof auch integrale Auswirkungen auf die Gesellschaft der Lebenden.
- Der Friedhof als Tor oder Durchgang zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten. Dieser Aspekt kann einen Friedhof gefährlich machen. Auf der einen Seite können die Toten die Lebenden zu sich ziehen, auf der anderen Seite betreten sie dadurch auch die Welt der Lebenden.
- Weil der Friedhof die Funktion eines Tores hat, kann er auch ein Kommunikationszentrum zwischen den Welten werden. Ein Ort, an dem man Informationen über die jenseitige Welt bekommt und Bitten in den Himmel senden kann. Menschen besuchen Friedhöfe um ihre Sorgen zu teilen und die Toten um Hilfe zu fragen. Auf einem Friedhof findet auch Kommunikation zwischen den Lebenden statt, beispielsweise in Form von Lobreden, Grabsteininschriften oder der Dekoration der Gräber.
- Der Friedhof als Bühne ist der Ort an dem Beerdigungen stattfinden, aber auch andere öffentliche oder private Zeremonien abgehalten werden. Durch diese Zeremonien, denen der Friedhof als Bühne dient, werden soziale Gerüste und Konventionen verstanden und bestätigt.
- Die Vorstellung eines Friedhofs als Bühne führt von seiner Ästhetik aus zu einem Rahmen oder einer Kulisse, welche die Beziehung der Besucher zum Tod oder zu den Toten reflektiert.
- Auf Grund der Abgelegenheit vieler Friedhöfe können und wurden sie als Zufluchtsort für Menschen und Besitz benutzt.
- In anderen Fällen kann ein Friedhof als ein Falle angesehen werden, denn die dort begrabenen können nicht mehr fliehen. Sowohl das Verständnis eines Friedhofs als Zufluchtsort als auch als Falle reflektiert jeweils die Natur der Friedhöfe als „andere Orte“, die sich von unseren eigenen Orten deutlich unterscheiden.
- Vielleicht ist ein Friedhof vor allem anderen ein Ort der Erinnerung und des gemeinschaftlichen Gedächtnisses und somit ein Zentrum der Identität. Wenn Gemeinschaften schrumpfen oder Menschen wegziehen, können Friedhöfe noch stärker zu Brennpunkten der Identität werden, sowohl für die Toten als auch für die Lebenden.
In seinem Artikel sagt Bar-Levav „das Internet ist ein Paradies für Friedhöfe“. In der Tat ist das Hochladen der Daten von Friedhöfen auf dem Zionsberg ein Versuch, die Begrabenen, die Lebenden, die Gesellschaft und die Erinnerung an das ewige Leben in einem virtuellen Paradies zusammenzubringen. Das Projekt wurde in der Hoffnung begonnen, einen neuen Begegnungspunkt zu schaffen zwischen den Grabstellen, den virtuellen Gemeinschaften sowie der lebendigen Gesellschaft und ein Interesse daran zu wecken, die Beziehungen zwischen diesen Gruppen zu entdecken.
Das Dokumentationsprojekt für die Friehöfe auf dem Zionsberg geht auf eine Initiative von Yiska Harani und Dr. Orit Ramon zurück, und wurde von der deutschen Botschaft in Israel und Propst Wolfgang Schmidt unterstützt. Das Projekt hätte nicht ohne die Hilfe von MyHeritgae Israel, der internationalen BillionGraves Datenbank und der Hilfe von Dutzenden Freiwilligen realisiert werden können, die geholfen haben diese Idee mit Leben zu erfüllen:
- Schüler und Lehrer der armenischen Schule von Jerusalem
- Itzik Reiter
- Nir Ortal (Yad Yizhak Ben-Zvi)
- Das Jerusalem Pre-Military Leadership Programm (HaMechina HaYerushalmit)
- Nirit Shalev-Kalifa
- Nathan Landau (Koordinator des Dokumentationsprojekts)
- Familie Dajani
- Das Jerusalem Intercultural Center
- Cäcilie Blume (Erlöserkirche)
- Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland
- Dr. Paul Wright (Jerusalem University College)
- Katja Zonken , Fotograf
- David Liebermann und Lavie Zamir von MyHeritage
- Al-Hayat Club, Jerusalem
- Die franziskanische Kirche (Kustodie)
- Die armenische Kirche (Patriarchat)
- Arik Pelzig (Harp of David Gallery)
Das Projekt wurde gefördert von der Deutschen Botschaft in Tel Aviv
Für weitere Informationen über Veranstaltungen auf dem Mt Zion siehe http://www.mountzion.org.il